Delfine in Not

Erzählt von Ulf Blanck

Mit Illustrationen von Harald Juch

Vignette

KOSMOS

Umschlag- und Innenillustrationen von Harald Juch, Berlin und Regina Haselhorst, Berlin

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© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

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ISBN 978-3-440-14115-1

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Anglerpech

»Leinen los und alle Mann an Bord!«, rief Justus Jonas und startete den kleinen Außenbordmotor. Peter zog seine Schwimmweste fester. »Aye, aye, Käpten! Volldampf voraus! Was ist mit unserem Leichtmatrosen?« Er sah grinsend zu Bob hinüber. »Der Leichtmatrose schmeißt dich gleich den Haien zum Fraß vor. Wir werden schon sehen, wer am Ende die meisten Fische fängt.«

Die drei ??? hatten sich an diesem Wochenende vorgenommen, mit dem kleinen Angelboot von Onkel Titus zum Fischen zu fahren. Es war windstill, und weit und breit sah man kaum eine Welle auf dem Pazifischen Ozean. Das alte Holzboot hatte Onkel Titus schon seit Jahren, doch er kam nur selten dazu, einen Ausflug damit zu unternehmen. Wenn das Wetter mitspielte, dann durften die drei ??? auch allein mit der Mathilda aufs Meer hinausfahren. Der Name des Bootes prangte in großen roten Buchstaben am Bug des Schiffes.

Im kleinen Fischereihafen war nicht viel los, als die drei Jungs an der Hafenmole vorbeifuhren. Nur der Hafenmeister, Ernesto Porto, winkte ihnen vom Land aus zu. »Bringt mir einen schönen Walfisch zum Grillen mit!«, lachte er und kaute an seiner Pfeife.

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Bob sortierte die Leinen, die kreuz und quer auf dem Boden lagen. »Der hat doch keine Ahnung! Wale gehören nicht zu den Fischen, sondern zu den Säugetieren, und erst recht nicht auf den Grill. Just, hat der lahme Motor nicht mehr drauf?«

»Nein, ich gebe schon Vollgas. Die Mathilda ist eben kein Rennboot. Onkel Titus hat mir beim letzten Mal eine gute Stelle weiter im Norden gezeigt. Da haben wir in einer Stunde vier fette Fische aus dem Wasser geholt.«

Peter betrachtete den Eimer, den Justus für die geangelten Fische mitgenommen hatte. »Mag eigentlich einer von euch Fisch?«, fragte er kleinlaut.

Bob verzog das Gesicht. »Geht so. Eigentlich nur, wenn sie viereckig und paniert sind.«

Sie fuhren noch eine halbe Stunde Richtung Norden, dann schaltete Justus den Motor aus. »So, da wären wir. Ungefähr hier habe ich mit Onkel Titus damals die Fische gefangen.«

So weit draußen auf dem Meer gab es doch ein paar kleine Wellen, welche die Mathilda leicht hin und her schaukeln ließen. Einige Minuten später hatten alle drei Jungs ihre Angel klargemacht, und die Haken mit den kleinen Plastikködern wurden abgelassen. Peter zog den Köder an der Angelsehne auf und ab. »Fische müssen ganz schön blöd sein, wenn die auf solche Plastikdinger reinfallen. Stellt euch mal vor, vom Himmel kommt plötzlich ein fetter Hamburger an einer Leine runter. Würdet ihr da reinbeißen?« Bob lachte. »Justus auf jeden Fall. Der hat doch immer Hunger.«

Die nächste halbe Stunde verbrachten die drei ??? damit, die Angelsehnen mit den Köderfischen auf und ab zu ziehen. Plötzlich spürte Justus einen Ruck. »Moment, ich glaub, da beißt einer an. Da! Jetzt schon wieder.« Seine Angel bog sich wie ein Flitzbogen. »Scheint ein schwerer Brocken zu sein.«

Peter legte seine Angel nervös zur Seite. »Ich bin froh, dass du das Ding am Haken hast.«

Justus drehte hektisch an der Angelkurbel. »Nun quatsch nicht so viel rum! Hilf mir lieber!« Da packten auch Peter und Bob die Angel, und Justus holte Meter um Meter die Schnur ein. »Der Fisch zappelt kaum«, keuchte Justus.

Bob musste grinsen. »Vielleicht ein Pottwal. Oder noch besser: Wir haben die Titanic am Haken.«

Peter blickte besorgt aufs Wasser. »Ich kann schon etwas erkennen. Sieht dunkel aus. Ja, sehr dunkel und rund.«

Justus drehte noch schneller an der Kurbel. »Ein runder Fisch? Bist du dir sicher?«

»Ja! Moment, gleich kann ich mehr erkennen. Der Fisch ist rund und hat ein Loch in der Mitte.«

Bob beugte sich über die Bordwand. »Das könnte eine Seeschlange sein, die sich selbst in den Schwanz gebissen hat.«

»Blödsinn«, rief Peter. »Achtung, jetzt kommt er aus dem Wasser. Es ist … es ist … ein alter Autoreifen. Na toll!«

Gemeinsam hoben die drei Jungs den Reifen ins Boot, und Justus zog den spitzen Haken aus dem Gummi. »Mir reicht es für heute mit der Angelei. Die Fische beißen nicht, und noch mehr Autoreifen muss ich auch nicht aus dem Wasser ziehen. Ich schlage vor, wir fahren zurück und gehen noch ein bisschen baden.«

»Aye, aye, Käpten!«, riefen seine beiden Freunde im Chor. Auch ihnen war die Lust am Fischen vergangen. »Mit Vollgas an Land, bitte!«, stöhnte Peter. »Als Allererstes muss ich auf die Toilette. Ich mach mir gleich in die Hose.«

Justus packte seine Angel zusammen und zog an der Starterleine des kleinen Außenbordmotors. Dieser begann, kurz zu tuckern, doch dann verstummte er. Justus startete einen zweiten Versuch. Wieder war nur ein kurzes Tuckern zu hören.

Peter wurde nervös. »Was ist los, Just? Ist der Motor kaputt?«

Als auch beim dritten Versuch nichts geschah, öffnete Justus besorgt den Tankdeckel. »Oh, nein! So ein Mist! Wir haben keinen Sprit mehr.«

Bob wühlte im Boot zwischen Leinen, Gummistiefeln und alten Lappen herum. »Gibt es hier denn keinen Reservekanister?«

Justus schüttelte den Kopf. »Nein, bisher hat eine Tankfüllung immer ausgereicht.« Dann griff er zu einem alten Holzpaddel. »Uns bleibt nichts anderes übrig. Wir müssen rudern.«

Bob kniff die Augen zusammen und blickte in Richtung Küste. »Da paddeln wir den ganzen Tag. Wenn wir Pech haben, dann kommt noch Wind auf, und wir werden aufs offene Meer getrieben.«

Peter wurde immer nervöser. »Das sieht übel aus. Wir müssen um Hilfe rufen. Ganz dahinten sehe ich ein rotes Motorboot.«

»Vergiss es!«, stöhnte Justus. »Das ist so weit weg, die hören uns niemals.«

Plötzlich vernahmen sie neben dem Boot ein seltsames Platschen. Bob drehte sich um. »Ist da was ins Wasser gefallen?« Jetzt kam das Geräusch von der anderen Seite. Peter griff sich das Paddel. »Was ist das?« Irgendetwas schien das kleine Boot zu umkreisen. Justus beugte sich über die Bordwand. »Da! Ich sehe was! Ja, einen großen Delfin.«

In diesem Moment schoss der Delfin aus dem Wasser und klatschte direkt hinter der Mathilda wieder in die Wellen. Es spritzte gewaltig, und die drei Jungs waren komplett nass. Bob versuchte, seine Brille trocken zu wischen. »Na bitte. Wir wollten doch sowieso baden gehen.«

Der Delfin tauchte ein zweites Mal auf. Diesmal ragte er weit aus dem Wasser und tanzte auf der Schwanzflosse um sie herum. Justus war begeistert. »Seht euch das an: Der lacht uns aus.«

Wieder tauchte der Delfin ab. Kurz darauf spürten sie einen Ruck. Bob deutete aufs Heck der Mathilda. »Ich werde verrückt: Der Delfin versucht, uns ans Ufer zu schieben.« Die drei Jungs mussten sich festhalten. Immer wieder stupste der Delfin das kleine Boot mit seinem Schnabel vorwärts.

Peter konnte kaum glauben, was er sah. »Unglaublich. Woher weiß der, dass wir hier ohne Motor herumtreiben?«