image

Der Autor

Charlie Dombrow ist hauptberuflicher Location-Scout und Fotoproducer in der Werbefotografie. Seit 1996 fotografiert er Backplates für Bildmontagen und erstellt realistische Composings mit Menschen und Fahrzeugen. Zu seinen liebsten Fotothemen zählen alte Bäume, Landschaften, Aktaufnahmen, das Mittelalter und verlassene Orte.

Fotografische Abenteuer
in verborgenen Welten
.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Hinweis: Alle Angaben in diesem Buch wurden vom Autor mit größter Sorgfalt erarbeitet bzw. zusammengestellt und unter Einschaltung wirksamer Kontrollmaßnahmen reproduziert. Trotzdem sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Der Verlag und der Autor sehen sich deshalb gezwungen, darauf hinzuweisen, dass sie weder eine Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für Folgen, die auf fehlerhafte Angaben zurückgehen, übernehmen können. Für die Mitteilung etwaiger Fehler sind Verlag und Autor jederzeit dankbar. Internetadressen oder Versionsnummern stellen den bei Redaktionsschluss verfügbaren Informationsstand dar. Verlag und Autor übernehmen keinerlei Verantwortung oder Haftung für Veränderungen, die sich aus nicht von ihnen zu vertretenden Umständen ergeben. Evtl. beigefügte oder zum Download angebotene Dateien und Informationen dienen ausschließlich der nicht gewerblichen Nutzung. Eine gewerbliche Nutzung ist nur mit Zustimmung des Lizenzinhabers möglich.

© 2016 Franzis Verlag GmbH, 85540 Haar bei München

Alle Rechte vorbehalten, auch die der fotomechanischen Wiedergabe und der Speicherung in elektronischen Medien. Das Erstellen und Verbreiten von Kopien auf Papier, auf Datenträgern oder im Internet, insbesondere als PDF, ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags gestattet und wird widrigenfalls strafrechtlich verfolgt.

Die meisten Produktbezeichnungen von Hard- und Software sowie Firmennamen und Firmenlogos, die in diesem Werk genannt werden, sind in der Regel gleichzeitig auch eingetragene Warenzeichen und sollten als solche betrachtet werden. Der Verlag folgt bei den Produkt- bezeichnungen im Wesentlichen den Schreibweisen der Hersteller.

Autorin: Charlie Dombrow

Herausgeber: Ulrich Dorn

Programmleitung, Idee & Konzeption: Jörg Schulz

Satz & Layout: Nelli Ferderer, nelli@ferderer.de

Covergestaltung: Manuel Blex

eISBN 978-3-645-22409-3

VORWORT

Fotografen lieben morbide, mystische Orte. Orte mit Geschichte. Orte mit Geheimnissen. Verwunschene, verborgene, verfallene, manchmal schon vergessene Orte. Orte, die mehr Fragen aufwerfen als Antworten feilbieten. Orte, an denen man nicht nur großartige Bilder fotografieren kann, sondern dabei stets auch Sinnbilder der Vergänglichkeit einfängt. Orte, die den Fotografen vor die Herausforderung stellen, nicht nur Oberfläche, sondern atmosphärische Tiefe abzubilden, den morbiden Touch der Location in berührende Motive einfließen zu lassen. Magische Orte eben.

Dieses Buch ist eine fotografische Exkursion in spannende Parallelwelten, zu finden überall und nirgendwo, prominent oder ignoriert, ein Ausflug zu Orten zwischen berühmt und geheim, zwischen Touristenmagnet und abstoßendem Schandfleck. An diesen Locations kommt es auf den Blickwinkel an, technisch, mental und emotional. Und auf Ihr Know-how, damit Ihnen nicht auch noch das Ergebnis Ihres Fotoshootings die Haare zu Berge stehen lässt. Wohlige Schauer sind natürlich erwünscht, bevorzugt ausgelöst durch eine gekonnte Bildbearbeitung. Tipps und Tricks dazu finden Sie ebenfalls in diesem Buch.

Auch gestandene Urbexer finden in diesem Buch hoffentlich noch einige Anregungen. Manche szenebekannte Location werden sie allerdings vermissen. Das hat simple Gründe: Als Autor dieses Buchs trage ich die Verantwortung dafür, dass ich durch meine Fotos nicht die gesetzlichen Rechte Dritter verletze. Erteilt der Eigentümer einer Location keine Genehmigung, dort zu fotografieren, kann ich leider keine Bilder dieses Orts zeigen. Einige öffentliche Einrichtungen, die ich gern als lohnende Fotomotive genannt und gezeigt hätte, musste ich ebenfalls aus diesem Werk streichen, weil die zuständigen Stellen Gebühren dafür kassieren wollten, dass ich diese Locations hier vorstelle.

Zum Glück bietet Deutschland trotz Ordnungswahn und Vorschriftendschungel ein fantastisches Kaleidoskop maroder Bauten und geheimnisvoller Orte. Und bestimmt wartet noch so manches vergessene Motiv dort draußen darauf, von mir oder von Ihnen wiederentdeckt zu werden.

Ihr Charlie Dombrow

image

INHALT

Vorwort

1. VERGESSENE WELTEN

Spielplätze für Fotografen

Hauch der Vergangenheit

Spiegel der Vergänglichkeit

Irrationale Architekturfotografie

Digitales Hexenwerk

2. BEGEGNUNGEN IM NO-GO-LAND

Die Sucher

Urbexer

Der Reiz des Vergänglichen

Webseiten und Blogs

Schatzsucher

Merkwürdige Behälter

Krieger und Golfer

Color-Krieger

Natural Born Golfers

Schwarze Szene

Perfekte Selbstinszenierung

Date zum Spontanshooting

Kraftorte

Klassifizierte Spukorte

Die Geistervilla

Die Bauzaun-Pestilenz

Betreten auf eigene Gefahr

Debile Demolierer

Natürliche Feinde der Urbexer

3. LEX URBEX

Verhaltensregeln

Gratwanderungen

Riskante Touren

Panoramafreiheit?

No Risk no fun?

Jenseits der Linie

Gruppenzwang

Big Brother is watching you

Fallgruben

4. GUT GERÜSTET INS ABENTEUER!

Richtige Ausrüstung

Was ist nötig, was ist wichtig?

Weitwinkel- und Teleobjektiv

Standfestes und leichtes Stativ

Dresscode Für Urbexer

Hilfreiche Hardware

Nützliche App-arate

Panascout

Sun Seeker

Regenradar

Parkposition

Planung und Anregung

JPEG- und RAW-Kost

Aufhellblitzen im Schattenreich

Langzeitbelichtung

Belichten mit Neutraldichtefilter

Dynamische HDR-Bilder

Lichtmalerei

Die amerikanische Nacht

Aus Sicht der Frösche

Blicke durch Fenster

Mystische Details aufspüren

Perfektes Timing

5. URBEX BOOTCAMP

Location-Recherche

In der Nachbarschaft

Fundsachen

6. ORTE DER ERINNERUNG

Neue Sichtweisen

Bei jedem Wetter, bei jedem Licht

Früh raus aus den Federn

Antizyklisch reisen

Ungewöhnliche Brennweiten

Faustformel

Fotografieren nach Zahlen?

Ruinen unter Denkmalschutz

Gier der öffentlichen Hand

Zäune, Ketten und Mauern

Die Macht in Scherben

Gottes verlorene Häuser

Klerikale Prachtbauten und Kapellen

Historische Monumente

Kathedralen der Produktion

Museen der Technik

Am Ende aller Wege

Historische Begräbnisstätten

7. SAGENWELTEN

Kultstätten

Magische Orte finden

Im Reich der Stillen Riesen

Der Glaube geht, die Natur bleibt

Vorzugsweise mit Vollformatkamera

Stativ und Fernauslöser einpacken

Baumkalender

Geisterhäuser

8. VERGESSENE ORTE

Bröselnde Industrieruinen

Neusprech

Wege ins Nirgendwo

Marode Bahngelände

Fotogene Fahrzeugwracks

Stätten des Heils

Kalte Betten

Tote Tempel

Palazzo perdu

Verfallende Villen

Horte des Krieges

Landflucht

Betonleichen

Unterirdisch

9. URBEXEXPEDITIONEN

Das Hotel im Wald

Die Waldstadt und die Heilanstalten

Sanatorium

10. LEBEN IM LOST PLACE

Das Atelier

Kirche und Küche

Exhibition

11. DAS KLEINE EINMALEINS

Interpretationen

Rohe Daten

Rohdaten, rein und unverändert

Nachhaltige Entwicklungshelfer

Verzeichnungen

Fleckenteufel

Einstürzende Altbauten

Imposanz

12. HDR-SANDWICHES

Augenblicke

Zeitsprünge

Basiswissen Belichtungsreihe

Anzahl der Zeitstufen

High and Low

Das passiert im Tonemapping

HDR-Programme

Kurzer Prozess

Grundlegender Workflow

Tonemapping durchführen

Weitergabe an die Bildbearbeitung

Oneshot-HDR

13. PIXELPOLITUR

Stilfragen

Pimp up your pics!

Colorado

Farbenleere

Abgewetzt und verstrahlt

14. JÄGER DER VERLORENEN SCHÄTZE

Jagdgründe

Urbexhibitions

Danksagung

Index

Bildnachweis

1 VERGESSENE WELTEN

image

Was für ein großartiges Motiv - da hüpft das Fotografenherz!

Brennweite 14 mm :: Blende f/9 :: Verschluss 1/30 s :: ISO 400

image

Auch von außen kann man eindrucksvolle Fotos verlassener Orte schießen, ohne fremdes Privatgelände betreten oder Unfälle riskieren zu müssen.

Brennweite 38 mm :: Blende f/11 :: Verschluss 1/250 s :: ISO 200

SPIELPLÄTZE FÜR FOTOGRAFEN

Manchmal sind die reizvollsten Spielplätze für Fotografen bekannte Ausflugsziele, wie beispielsweise der Landschaftspark Duisburg-Nord auf dem Gelände eines ehemaligen Hüttenwerks. Meistens jedoch liegen die tollsten Locations abseits der touristisch erschlossenen Wege, oft nur erreichbar über Trampelpfade, häufig auch hinter Zäunen und Mauern verborgen. Verschwiegen, vergessen, verboten – den größten Nervenkitzel garantieren Orte, die der gemeine Spießbürger und ordnungsheischende Beamte am liebsten von der Landkarte tilgen möchte. Da das glücklicherweise häufig nicht so einfach ist, werden die Objekte möglichst »unsichtbar« gemacht – Hinweise entfernt, Bauzäune aufgestellt, der Schilderwald aufgeforstet. So paaren sich vielerorts Gerüchte, Horrorgeschichten und der fortschreitende Verfall mit dem Reiz des Verbotenen.

Ob Sie von Forscherdrang, der Sucht nach dem Adrenalinkick oder dem Spaß an einer Schatzsuche mit der Kamera getrieben werden, möglicherweise Grenzen zu überschreiten und gesperrtes oder gefährliches Terrain zu erkunden: Sie sollten sich immer darüber im Klaren sein, was Sie da tun und welche Risiken Sie dabei eingehen.

HAUCH DER VERGANGENHEIT

In Ruinen und auf Friedhöfen spürt man intensiv den – manchmal auch recht übel riechenden – Hauch der Vergangenheit, fotografiert nicht nur Oberflächen, sondern die Tiefe der Zeit. Hinter staubigen Türen und trüben Fenstern erhoffen sich entdeckungsfreudige Fotografen spannende Locations und großartige Motive, trotz des Risikos, im Zweifel in einer schäbigen Müllhalde zu landen, die von außen zu viel versprach.

Abenteuerliche Entdeckungsreisen in unbekannte, mitunter sogar gefährliche Welten sind überall möglich, sogar mitten im ansonsten so aufgeräumten Deutschland.

Alle Aufnahmen in diesem Buch entstanden ausschließlich in deutschen Landen, mit Ausnahme einiger Motive, die das Interview mit dem Fotograf Pascal Baetens illustrieren. Man muss also keine Expeditionen in ferne Gestade starten, um grandiose Bilder zu machen, sondern nur die Augen öffnen und einfach mal in heimische Ecken schauen, die man bisher übersehen oder schlichtweg ignoriert hat.

Morbides, Marodes und Mystisches findet man oft hinter hohen Mauern, hässlichen Bauzäunen, dichten Hecken, häufig auch mitten im Wald. Die Suche nach geeigneten Motiven ist genauso spannend wie das eigentliche Shooting und die spätere Bildbearbeitung.

image

Hinter maroden Türen lauern morbide Motive

Brennweite 10 mm :: Blende f/11 :: Verschluss 0,3 s :: ISO 200

image

Eine gewaltige Ruine ist das beliebteste Reiseziel in Deutschland für Touristen aus aller Welt. Das Heidelberger Schloss, vor mehr als 300 Jahren zerstört, lockt sogar mehr Besucher an als das intakte Schloss Neuschwanstein

Brennweite 16 mm :: Blende f/11 :: Verschluss 1/160 s :: ISO 200

SPIEGEL DER VERGÄNGLICHKEIT

Einige der schönsten Städte der Welt wie Wien oder Venedig verdanken ihre Attraktivität hauptsächlich ihrem morbiden Charme. Hätte man die Lagunenstadt aufwendig saniert, gesichert und frisch gestrichen, wäre sie nur noch eine bunte Touristenfalle ohne Seele. So aber hält man in jedem Bild der Serenissima nicht nur deren glorreiche Vergangenheit, sondern auch den drohenden Untergang fest.

Morbide Motive spiegeln die Vergänglichkeit. Mystische Motive dagegen spiegeln die menschliche Sehnsucht nach der Ewigkeit. Zwar müssen Locations, denen mystisches Flair nachgesagt wird, nicht zwangsläufig auch optisch eindrucksvoll sein, doch oftmals findet man Transzendenz in der Existenz von alten Gemäuern und alten Wesen, deren Dasein in dieser Welt unsere Lebens- und Erfahrungsspanne weit übertrifft – beispielsweise in uralten Bäumen.

Schönheit liegt bekanntlich immer im Auge des Betrachters. Sieht der eine eine üble Narbe im geordneten Stadtbild, eine Gammelbude, ein Rattenloch, das möglichst bald beseitigt werden sollte, so sieht der andere – also vermutlich Sie und ich – dort eher einen verborgenen Schatz im Meer der langweiligen Uniformität, ein interessantes Fotomotiv, eine vielversprechende Location.

image

Ein ehemaliges Hotel, im strömenden Regen fotografiert und per Software in ein emotionales Bild verwandelt, das ebenso alt zu sein scheint wie das Gebäude selbst.

Brennweite 24 mm :: Blende f/11 :: Verschluss 1/160 s :: ISO 200

IRRATIONALE ARCHITEKTURFOTOGRAFIE

Die meisten morbiden Orte, eigentlich alle Lost Places, sind Bauwerke im Zustand mehr oder weniger fortgeschrittenen Verfalls. Grundsätzlich fallen also die fotografischen Arbeiten auf diesem Gebiet vermutlich unter die Rubrik »Architekturfotografie«. Vom technischen Standpunkt aus macht es keinen Unterschied, ob das zu fotografierende Gebäude neu erbaut oder alt und marode ist. Inhaltlich aber ist der Unterschied zwischen herkömmlicher Architekturfotografie und der Abbildung morbider Bauwerke fundamental.

Eine normale Aufnahme im Architekturbereich erfordert die rationale, möglichst exakte Darstellung gebauter Struktur. Bilder morbider Bauten dagegen vermitteln eher Irrationales. Stimmungen, Ängste, Neugierde, Geheimnisse, Klage, wohliges Gruseln. Das ist das Schöne und Besondere an der Fotografie von Ruinen und gespenstischen Orten: Formale Konventionen gibt es kaum. Der Interpretations- und Experimentierfreude der Fotokünstler sind fast keine Grenzen gesetzt.

Trotzdem stellen solche Bildwerke gehobene Anforderungen an die technischen Fähigkeiten der Fotografen. Oft unter Zeitdruck muss man in unsicherer Umgebung sein Werkzeug ebenso sicher beherrschen wie die Regeln eines gekonnten Bildaufbaus, sonst ist eher das fertige Bild zum Gruseln als das Motiv darauf.

image

Nachträglich eingefügte Lichtstrahlen erhöhen den mystischen Reiz dieser verlassenen Kirche noch.

Brennweite 13 mm :: Blende f/11 :: Verschluss 0,5 s :: ISO 200

DIGITALES HEXENWERK

Auf den in diesem Buch behandelten Abenteuerspielplätzen für Fotografen kann man Verwunschenes und Verfallenes zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter interessant ablichten, selbst bei Regen und dichtem Nebel. Nicht immer findet man jedoch geeignete oder erhoffte Lichtstimmungen vor. Hat man Pech während des Shootings, erhöht vielleicht später eine gekonnte Bearbeitung das matte Bildchen zum mystischen Kunstwerk. So ist denn auch die Bildbearbeitung in diesem Segment der Fotografie (und in diesem Buch) von besonderer Bedeutung.

Am Computer werden Bildstimmungen vertieft oder gar erst erzeugt. Schon bei der Aufnahme sollte man bestimmte Bearbeitungstechniken einkalkulieren und entsprechend vorgehen. Ob man eine Belichtungsreihe für eine HDR-Aufnahme macht, »Fleisch« um das Motiv einkalkuliert für das spätere Aufrichten stürzender Linien oder absichtlich unterbelichtet, um in der Nachbearbeitung spezielle Effekte zu erzielen, setzt immer voraus, dass man diese Methoden kennt und richtig anzuwenden vermag.

Dieses Buch will Ihnen Mittel und Wege aufzeigen, aus altem Gemäuer neue Fotowelten zu erschaffen – ohne jedes Hexenwerk.

2 BEGEGNUNGEN IM NO-GO-LAND

image

Ein Urbexer bricht aus dem Unterholz.

Brennweite 24 mm :: Blende f/11 :: Verschluss 1/100 s :: ISO 200

image

Fotoexkursion in die Vergangenheit.

Brennweite 27 mm :: f/7.1 :: Verschluss 1/30 s :: ISO 200

image An vielen verlorenen Orten, die scheinbar der Welt entrückt und sich selbst überlassen im Abseits stehen, werden Sie bald feststellen, dass Sie nicht der Einzige sind, der durch das Unterholz schleicht. Sind es Gespenster, die Geister der Verstorbenen, die im Skelett des Bauwerks knistern, das Sie gerade erkunden? Bevor Ihnen der Schweiß auf die Linse tropft und die Kamera aus den zittrigen Händen fällt, seien Sie versichert: Gespenster rufen nicht »Was machen Sie denn da?« oder »Wo wollen Sie hin?«.

DIE SUCHER

Verlassene und mystische Locations ziehen überraschend viele Interessengruppen an – aus den unterschiedlichsten Gründen. Die einen wollen erkunden, die anderen fotografieren, manche wollen nur mal gucken, andere sind auf der Suche, und leider ziemlich viele finden, man könne alles klauen oder zerstören, was scheinbar herrenlos herumsteht.

In unserer sterilisierten, überregulierten und konditionierten Welt proben viele zumindest gelegentlich den Ausbruch aus dem beengten, behüteten und überwachten Wohlstandsleben. Es lockt Sie der Reiz von Orten, die mehr oder weniger aus dieser starren Ordnung gefallen sind. Äußerlich ist schwer zu unterscheiden, wer sich da so tummelt in den vermeintlich vergessenen, häufig auch verbotenen Zonen. Uniformen deuten allerdings in der Regel darauf hin, dass deren Träger höchstwahrscheinlich im Auftrag einer höheren Macht (beispielsweise des Eigentümers oder ihrer Dienststelle) unterwegs sind, um Sie mit »Ja, Sie da!« zu kontrollieren oder dezent darauf hinzuweisen, dass ein sofortiger Rückzug aus dem Gelände angebracht ist.

URBEXER

Aufgrund der mitgeführten Fotoausrüstung samt Stativ recht leicht zu identifizieren sind die Urbexer, Gesinnungsgenossen, die ihrer Passion frönen, Ruinen aller Art mit der Kamera zu erkunden. Mancher Urbexer genießt eher die Entdeckerfreude und die Spannung, in einem Areal außerhalb der üblichen Grenzen aufregende Plätze zu betreten, aber ohne den inneren Anspruch, sich an diesen Locations künstlerisch zu verwirklichen. Ihre Fotos dienen nur zur Dokumentation der Exkursion, als Trophäe und Beweis. Die Bildergebnisse entsprechen weitgehend den Sicht- und Gestaltungsweisen herkömmlicher Architekturfotografie ohne besondere optische Mätzchen. Auch die Farbwelten sind oft eher reduziert bis hin zu edlem Schwarz-Weiß.

Der Reiz des Vergänglichen

Andere Urban Explorers wiederum reizt die außergewöhnliche Szenerie zu außergewöhnlichen Bildwerken. Sie verwenden viel Zeit und Mühe darauf, in Objekten, die häufig nicht oder nicht mehr der landläufigen Auffassung von »schön« entsprechen, möglichst großartige Bilder zu machen, die einzigartigen Stimmungen festzuhalten, die solche Orte bieten, die Ästhetik des Untergangs einzufangen. In der Nachbearbeitung werden gern alle Register gezogen; oft ist die HDR-Technik das bevorzugte Mittel, optische Spektakel zu entfesseln.

Webseiten und Blogs

Die meisten Urbexer präsentieren ihre oft beeindruckenden Fotografien auf ihren Webseiten und in Blogs (siehe Links im Anhang), häufig ergänzt durch aufwendige Historien der abgelichteten Gebäude und Einrichtungen. Diese Seiten sind Fundgruben für außergewöhnliche Motive. Genauere Informationen, wo sich die porträtierten Locations befinden, Adressen gar, wird man auf diesen Internetseiten und -foren meistens jedoch vergeblich suchen. Zu groß und leider berechtigt ist die Angst, damit hirn- und respektlosen Zeitgenossen Hinweise auf die gefundenen Schätze zu geben und diese deshalb beim nächsten Besuch zerstört vorzufinden.

Urbexer sind selten allein unterwegs. Zum einen ist es anzuraten, morsche Gebäude nur in Begleitung zu betreten, zum anderen nehmen Fotografen gern Fotomodelle mit, um sie in marodem Ambiente in Szene zu setzen. Auf dieses Gefolge gehe ich in einem späteren Kapitel noch explizit ein.

image

Stativ und Fernauslöser gehören zur Grundausstattung des seriösen Urbexers.

Brennweite 42 mm :: f/7.1 :: Verschluss 1/30 s :: ISO 400

image

In diesem Loch in einer Friedhofsmauer ist (unten rechts) ein Cache in einer Filmdose versteckt.

SCHATZSUCHER

www.geocaching.comwww.opencaching.de