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Das Buch

Die Crew der Levity ist auf dem Weg zu ihrem ersten Auftrag – von einer »Crew« kann jedoch kaum die Rede sein, denn die Unstimmigkeiten zwischen den sechs grundverschiedenen Vagabunden mehren sich. Als die meuternde Söldnerbande auch noch den Weg eines USE-Schiffs kreuzt, hat Captain Cheb Fantas alle Hände voll zu tun, die Gruppe – und die Levity selbst – zusammenzuhalten, bevor sie allesamt im Weltall verglühen ...

 

 

 

Die Serie

Galaxien verändern sich. Das Geschäft nicht. Die Superwaffe des Terraformings hat die Menschen zur vorherrschenden Spezies im bekannten Teil des Universums erhoben. Eine Macht, die sie sich nicht wieder nehmen lassen wollen. Die Levity ist ein Raumschiff wie jedes andere. Ihre Crew arbeitet gegen Bezahlung wie Millionen anderer Söldner. Nur eines unterscheidet sie. Ihre Mission.

 

 

 

Die Autorin

Als eingefleischter Geek träumte Anna Holub schon immer vom Weltraum. Nachdem die NASA aber bis jetzt noch keine Touristenflüge anbietet, schreibt sie Computerprogramme bei Tag und Science-Fiction bei Nacht, um sich wenigstens so dem All etwas näherzubringen.

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Nr. 2

 

 

Gute Leute, schlechte Zeiten

 

 

von Anna Holub

 

 

 

 

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Originalveröffentlichung

 

 

© 2015 Verlag in Farbe und Bunt

 

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Veröffentlichung des Buches, oder Teilen daraus, sind vorbehalten.

Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Alle Rechte liegen beim Verlag.

 

 

Cover-Gestaltung: Stefanie Kurt

E-Book-Satz: Winfried Brand

verantwortlicher Redakteur: Bettina Petrik

Lektorat: Tim Schmelow

Korrektorat: Bettina Petrik

 

 

Herstellung und Verlag:

in Farbe und Bunt Verlags-UG (haftungsbeschränkt)

Kruppstraße 82 - 100

45145 Essen

 

www.ifub-verlag.de

 

 

ISBN Taschenbuch: 978-3-95936-029-6

ISBN E-Book: 978-3-95936-028-9

ISBN Audiobuch: 978-3-95936-030-2

Die Crew

 

 

Captain Chebros Fantas hatte alles, was er sich wünschen konnte, Freundin, Status, eine schwindelerregend steile Karriere in der USE ... bis er sein großes Mundwerk einmal zu oft aufriss. Jetzt hat er die Levity, eine bunt zusammengewürfelte Crew, einen geheimen Auftrag und einen Haufen Probleme.

 

Commander Irsil Helavel war einmal Raumschiffarchitektin. Doch schon früh fand sie heraus, dass sie Zauberkräfte in sich trug. Eine geheime Ausbildung folgte, und die Erkenntnis, dass man als Zauberin vor der USE auf der Hut sein muss. Heute versucht die Nauticanerin, im Auftrag ihrer Lehrmeisterin andere Zauberer vor der USE zu retten – und dabei nicht selbst draufzugehen.

 

Balady Timm-Solene stammt aus gutem Hause. Sie ist meist gut erzogen, stets gut angezogen und ganz nebenbei ein jugendliches Genie. Von alledem merkt man allerdings nichts, wenn man den kleinen Rotzlöffel an Bord der Levity erlebt. Sie fungiert dank ihrer biologisch-forensischen Kenntnisse und ihrer Ausbildung als Waffenspezialistin als Wissenschaftsoffizier auf der Levity und ist auf der Suche nach ihren verschollenen Eltern.

 

Wo es Ärger gibt, ist Scratch nicht weit entfernt. Der kratzbürstige Rotschopf brilliert auf der Levity als Mechanikerin, mit Straßenkampfkunst und einem schier unerschöpflichen Fundus an Schimpfwörtern, die sie sich in ihrer Zeit bei einer Gruppe Raumpiraten angeeignet hat.

 

Hika Sohm ist der Pilot und Navigator der Levity und als ruhender Pol die gute Seele an Bord. Mit trockenem Humor und Nerven aus Stahl manövriert der Dorsalier das geliebte Schiff aus jeder noch so brenzligen Situation heraus.

 

HD-AB, ein Kampfkunst-Roboter, wurde einst als Auftragskiller von der USE eingesetzt, bis er einmal zu oft neugierig darauf wurde, wie menschliche Gefühle funktionieren. Ausgestattet mit einem illegalen Emotionschip verabschiedete er sich von seinen früheren Auftraggebern und versucht seitdem, seine eigene Moral und seinen eigenen Weg im Universum zu finden. Auf der Levity übernimmt er dank seiner umfangreichen Programmierung verschiedenste Aufgaben, ist aber vor allem als Sicherheitsoffizier sehr nützlich.

Die Untertasse segelte durch die Dunkelheit des Raums. Fünf Augenpaare folgten ihr, als sie über ihre Köpfe hinwegsauste.

»Brr! Wie kann man nur so was essen?«

»Balady!« Irsil fing das fliegende Geschirrstück mit ihrer Telekinese auf, bevor es größeren Schaden anrichten konnte. »Benimm dich.« Die Untertasse wanderte wie von Zauberhand – was es ja streng genommen auch war – wieder vor die Teenagerin zurück, und die heruntergefallenen Nährstoffriegel landeten ordentlich darauf.

Balady schob die Untertasse und ihren Teller Pudding demonstrativ beiseite und kreuzte ihre Arme vor der Brust. »Also, ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber wenn das der Standard des Essens auf der Akademie war, Cap’, dann verstehe ich, wieso ihr USE-Typen immer so mieser Laune seid.«

Captain Chebros Fantas konnte sich ein zustimmendes Grinsen nicht verkneifen. Er hob den Kopf, um etwas zu sagen und fing einen warnenden Blick aus Irsils nachtschwarzen Augen auf. Unwillig, die Nautica noch weiter zu verärgern, wandte er sich wieder seinem Teller zu und gab vor, fleißig Proteinpudding in seinen Mund zu schaufeln. Er hatte sich noch immer nicht komplett an die Zauberkräfte seiner blauhäutigen Mitstreiterin gewöhnt.

»Den Rest der Woche kochst du«, grummelte Scratch vom anderen Ende des Tischs. Die junge Frau attackierte ihre Riegel mit einem Messer, das fast so gefährlich aussah wie der Ton ihrer Haarfarbe.

»Ach, du hast das gemacht, Scratch?«, flötete Balady ihr unschuldig zu. »Das erklärt einiges.«

Der Rotschopf fuhr auf und richtete ihr Messer drohend auf das Mädchen. »Du verwöhntes Gör. Wenn du einmal ein paar Monate auf der Straße gelebt hast, wirst du dich über so was freuen.«

»Auf der Straße kann ich mir was Besseres als das in ein paar Sekunden erjagen.« Balady gähnte demonstrativ. »Ist ja nicht jeder so unfähig wie d…«

Scratch war schon auf halbem Weg über den Tisch, bevor Irsil und Cheb sie mit vereinten Kräften aufhalten und wieder auf ihren Stuhl zurückziehen konnten. »Kinder!«, schnaubte Irsil. Die Tentakel auf ihrem Kopf sträubten sich leicht. »Könnt ihr euch nicht mal bei unserem ersten gemeinsamen Essen als Crew benehmen?«

»Ich bin kein Kind mehr.« Scratch schmollte, ließ aber das Messer gehorsam auf den Tisch fallen. Cheb vermutete, dass sie sowieso nicht wirklich vorgehabt hatte, es gegen ihre Kollegin zu benutzen. »Und du bist schon gar nicht meine Mutter.«

»Aber ich bin euer Captain.« Cheb richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Mit verschränkten Armen blickte er um den Tisch herum. »Und beim Essen habt ihr euch gefälligst zu benehmen, ist das klar?«

Balady und Scratch starrten stumm auf ihre Teller.

»Ich höre euch nicht.«

»Klar«, knurrte Balady leise.

»Klar, was?«

»Klar, Captain.«

»Gut.« Cheb faltete seinen Körper wieder in die Ecke der Sitzbank zurück. »Und jetzt hört mal zu. Bei all den Reparaturen, die wir machen mussten, ist von unserem Vorschuss nicht mehr viel übrig geblieben. Deswegen gibt es die nächsten Tage, bis wir beim Pluto sind, nur Notrationen. Proteinpudding und Nährstoffriegel. Davon werdet ihr auch nicht verhungern. Aber wenn wir die Mission auf dem Pluto schaffen, dann lade ich euch alle auf meine eigenen Kosten in ein tolles Lokal ein. Also von meinem Anteil an der Belohnung. Ist das okay?«

Scratch rollte die Augen, aber wandte vorsichtigerweise den Kopf ab. »Es ist dein Bankrott.«

»Das finde ich eine tolle Idee von dir, Chebros.« Irsil lächelte ihm aufmunternd zu. »Was meinst du, Balady?«

»Hmpf«, machte Balady. Irsil stieß ihr sanft in die Rippen.

Balady seufzte. »Okay. Aber ich wähle das Lokal.«

Scratch grinste. »Dann bist du eindeutig ruiniert, Cheb.«

Balady verdrehte die Augen über den Kommentar und stand auf. »Okay, ich bin fertig. Für das Zeug bin ich noch nicht hungrig genug.«

Unbeeindruckt langte Scratch über den Tisch und schnappte sich die übriggebliebenen Nährstoffriegel. Die Hälfte davon wanderte postwendend unter den Tisch, wo sie mit einem lauten Knuspern verschlungen wurden. »Wer nicht will, der hat schon.«

»Hey.« Cheb hielt Balady am Arm auf, bevor sie die Küche verlassen konnte. »Wenn du nicht mit uns isst, kannst du wenigstens Hika seine Ration bringen? Der Arme sitzt seit Stunden im Pilotensitz fest und kommt nicht zur Rast.«

Wie aufs Stichwort fing die Bordsprechanlage an zu piepsen. »Achtung, Durchsage. Wir durchfliegen in 70 Sekunden das Wurmloch. Bitte haltet euch fest, schnallt euch an, wenn ihr das könnt, und seid auf Überraschungen vorbereitet.«

»Pünktlich wie immer.« Mit geschickten Bewegungen sammelte Irsil die restlichen Teller, Schüsseln und Untertassen zusammen und ließ sie der Reihe nach in den Sterilisator schweben. Sie würden wohl im nächsten Raumhafen ein komplettes Geschirrset für jedes Besatzungsmitglied kaufen müssen, dachte Cheb. Die Ausstattung der Levity spottete in der Hinsicht jeder Beschreibung. Jedes einzelne Geschirrteil war unterschiedlich, und die meisten waren zerkratzt, rostig oder hatten Sprünge. »Scratch, hilf Irsil mal.«

»Keine Chance. Ich muss Bones in seine Koje bringen, bevor wir durch das Wurmloch springen. Sonst fürchtet er sich«, lachte Scratch und zerrte das Tier schnell aus der Tür. Irsil seufzte.

Cheb reichte Balady die letzte Schüssel Proteinpudding. »Also los.«

»Aye aye, Captain«, motzte sie und sprintete los zur Brücke.

Cheb sah ihr nachdenklich hinterher. Seine neue Crew hatte sich als schwieriger herausgestellt, als er es sich erhofft hatte. Eine unregistrierte Zauberin von Nautica, ein weiterer verschrobener Außerirdischer als Navigator, ein abtrünniger Roboter, eine cholerische Ex-Piratin und – jugendliches Genie hin oder her, er war sich noch immer nicht sicher, warum Balady überhaupt darauf bestanden hatte, mit ihnen mitzufliegen. Mittlerweile hatte sie wohl keine Wahl mehr, denn alle von ihnen waren von der USE als Verräter der Planeten-Vereinigung gebrandmarkt. Und wohin würden sie auch zurückkehren wollen? Scratch hatte als Resultat ihrer Abenteuer ihre Familie verloren, und Balady wusste noch immer nicht, was mit ihren Eltern passiert war. Es war kein Wunder, dass die beiden im Moment bei jeder geringsten Provokation an die Decke gingen. Aber als Kapitän war es seine Aufgabe, die Crew – und jedes Mitglied seiner Crew, egal welchen Alters und wie seine Vorgeschichte aussah – bei Laune zu halten und zur Zusammenarbeit zu bringen. So schwer, wie es auch auf den ersten Blick scheinen mochte.

Cheb war kein Amateur. Es war kein Zufall gewesen, dass er von der USE so früh zum Captain ernannt worden war. Was auch immer seine Schwächen sonst waren, er hatte noch nie ein Mitglied seiner Crew im Stich gelassen oder auf seine Pflichten als Kapitän vergessen. Und er war zwar kein USE-Captain mehr, aber Irsils Auftraggeberin hatte ihn als Kapitän für diese Mission angeheuert, und er würde der Mission und seiner Mannschaft treu bleiben. Was immer es ihn kosten möge. Er war schließlich für beide verantwortlich.

Die Notrationen waren ein Fehler gewesen. In der USE hatten sich andere um das Einbunkern gekümmert, und Cheb war während des Reparaturstopps auf Lighthouse 7 einfach zu beschäftigt gewesen, um viele Gedanken darauf zu verschwenden, was seine Crew essen wollte. Das Geld hatte gerade eben für die wichtigsten Reparaturen an der Levity gereicht. Aber er hätte wenigstens ein paar Pakete Nudeln erstehen können. Auch wenn die per Kalorie teurer waren. Na gut, er würde den Fehler nicht wieder machen.

»Probleme, Captain?« Der einzige Teilnehmer am gemeinsamen Mahl, der bei der gesamten Auseinandersetzung still geblieben war, schob seinen Stuhl mit einem gefährlichen Knirschen nach hinten.

Cheb drehte sich zu ihm um. »Wenigstens einer von uns scheint das Essen gemocht zu haben.«

»Nahrung ist Nahrung.« HD-AB rollte seine muskulösen Schultern nach hinten. »Der Geschmack ist bedeutungslos.«

»Das ist ja ein tolles Kompliment«, meinte Cheb trocken.

»Sollte ich lügen?«

»Nein …« Cheb grinste. Für einen Roboter war HD manchmal recht schlagfertig – wenn er den Humor an der Situation erkennen konnte. »Du hast schon recht, diesmal. Aber wenn du beim Essen nach der Mission dabei bist, solltest du versuchen, auch dem Geschmack Bedeutung beizumessen. Alle fühlenden Wesen erfreuen sich am Essen. Vielleicht kannst du dabei sogar was lernen!«

Der Roboter kratzte sich am Kopf. Dann erhellte sich sein Gesicht. »Du hast recht, Captain! Daran habe ich noch nicht gedacht. Ich werde darüber nachdenken!« Er strahlte Cheb an. Dann stand er auf, stellte den Stuhl säuberlich zurück und machte sich zu seiner Kajüte auf.

»Gut gemacht, Captain.« Irsil lächelte ihm zu. Chebros lächelte schwach zurück, nicht sicher, was er ihr antworten sollte.

Irsil strich ihre Tentakel glatt und drehte sich um. »Du solltest dich auch anschnallen. Man weiß ja nie.« Für einen Moment schien es, als ob sie ihm eine Hand beschützend auf die Schulter legen wollte, doch dann zwängte sie sich an ihm vorbei aus der Küche.

Cheb seufzte, als ihre geschmeidige Haut für einen Augenblick dicht an ihm vorbeiglitt.

Irgendwie würde er es schaffen, aus dieser bunt zusammengewürfelten Bande von Individuen eine Mannschaft zu machen. Er musste es einfach schaffen, wenn nicht seiner selbst zuliebe, dann für Irsil und für ihre Mission. Er hatte zwar noch keine Ahnung wie – aber der Weltraum, wie man so schön sagte, war noch weit.

 

Die Sichtfenster der Brücke waren noch von buntem Plasma verschleiert. Vorhänge aus blauem Licht wanderten an der linken Seite vorbei, während die rechte Seite einen schreienden Rosaton angenommen hatte. Inmitten dieser geschmacklosen Beleuchtung saß eine vornübergebeugte Gestalt auf dem Pilotensitz. Selbst wenn Balady es nicht gewusst hätte, hätte sie leicht erraten können, dass der Pilot kein Mensch war – der Rücken war gekrümmt, der kahle Kopf etwas zu breit und kantig, die Finger ein bisschen zu seltsam proportioniert und mit großen Knoten an den Gelenken. So wie die anmutige, fast zu geschmeidige Nautica Irsil ein Produkt des Heimatmeers ihrer Spezies war, musste der Dorsalier ein Produkt eines harschen Klimas sein. Alles an ihm war schroff, ledrig und gepanzert.

»Essen fassen.« Balady setzte die Schale mit Pudding neben dem Piloten ab und plumpste selbst in den Co-Piloten-Sitz. »Haute cuisine, zubereitet nach Art des Hauses von unserer eigenen Chefköchin.«