Cover

Katharina Sulzbach

Stutenparade

Roman

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Katharina Sulzbach

Katharina Sulzbach studierte Rechtswissenschaften in Frankfurt und Paris und arbeitete anschließend als Justiziarin. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern im Taunus. »Stutenparade« ist nach dem Überraschungserfolg »Westendladies« ihr zweiter Roman. Mehr über die Autorin erfahren Sie auf ihrer Homepage unter www.katharina-sulzbach.de

Über dieses Buch

Zugegeben: Die Traumvilla mit Park im Vordertaunus, die eleganten Boutiquen und angesehenen Privatschulen wirken verlockend. Doch das Leben der drei Freundinnen Heike, Susanne und Claudia bekommt Kratzer: Nicht nur verhängnisvolle Affären und hässliche Scheidungen, sondern auch pubertierende Töchter und die Intrigen der exquisiten Nachbarinnen bringen ihre Welt ins Wanken. Aber die drei Ladies wissen sich zu helfen …

Impressum

Das vorliegende Werk »Stutenparade« ist ein Roman, alle darin auftretenden Figuren sind daher rein fiktiv. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden Personen und tatsächlichen Ereignissen ist rein zufällig.

 

eBook-Ausgabe 2012

Knaur eBook

© 2012 Droemer Paperback

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt

Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Antje Steinhäuser

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München nach einem Entwurf von Julia Borgwardt Design, Berlin

Coverabbildung: Julia Burgwardt design karrapa, istockfoto

ISBN 978-3-426-41686-0

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Heike

Sie legte den Kopf in den Nacken, sog tief die herbstliche, erdige Luft ein und genoss den Blick in den mattblauen Himmel. Königstein im September war einfach herrlich: Die Lufttemperatur lag bei 22 Grad Celsius, und die Sonne hatte noch genug Kraft, dieses einmalige prickelnde Gefühl auf der Haut hervorzurufen. Nein, Heike bereute es nicht, aus dem Frankfurter Westend in den Vordertaunus gezogen zu sein. Niemand parkte einem die Einfahrt zu, Flug- und Verkehrslärm konnte man nur erahnen, und störende Geräusche verursachten allenfalls die Rasenmäher und Laubsauger in den großzügig angelegten Gärten.

Die laute Sopranstimme ihrer Nachbarin schrillte in Heikes Idyll: »Hallooo, Frau Stelzer!«

Sie entdeckte Frau Burau, gestylt wie für eine englische Fuchsjagd, die ihr zwischen den Kirschlorbeerbüschen zuwinkte: Sie trug weiße Reiterhosen, eine Schluppenbluse mit Paisleymuster und einen kurzen engen Tweedblazer. Die hohen Stiefel aus glänzendem braunem Leder sanken tief in den aufgeweichten Rasen ein. Frau Buraus brauner Labrador schickte sich soeben neben ihr an, sein großes Geschäft zu verrichten, und ließ sich weder durch Schimpfen noch durch einen Tritt in seine Richtung davon abbringen. Sabine Burau verzichtete denn auch auf jegliche Höflichkeitsfloskel und kam umgehend zur Sache: »Wir haben festgestellt, dass Sie direkt an der Grundstücksgrenze Kirschlorbeer gepflanzt haben. Leider lässt diese Pflanze ja das ganze Jahr über Blätter fallen.« Sie machte eine Pause. »Könnten Sie dann bitte alle zwei Tage das abgefallene Laub von unserem Grundstück entfernen?«

Frau Buraus Blick wanderte von dem Lehmfleck auf Heikes wollweißem Cashmerepullover zu ihren ledernen Gartenhandschuhen, die sie trug, um ihre frisch lackierten Fingernägel zu schützen.

»Sie werden doch sicher regelmäßig einen Gärtner kommen lassen, der das erledigt?«

Heike hatte durchaus einen polnischen Gärtner angeheuert, der ihr wöchentlich den Rasen mähte und sonstige Hilfsarbeiten verrichtete. Aber seit sie im Taunus wohnte, hatte sie manchmal sogar selbst Spaß am Gärtnern. Sie verkniff sich einen Hinweis auf den riesigen Bambus an der Grundstücksgrenze auf Seiten der Nachbarin, der ihren Rasen mit Blättern übersäte, und sah kühl in die von tiefschwarz getuschten Wimpern umrahmten Augen. Sie hatte in ihrem ersten Jahr in Königstein rasch gelernt, dass es einfacher war, jedem noch so abwegigen Anliegen einer Taunuslady vordergründig zuzustimmen und es zu keiner direkten Konfrontation kommen zu lassen. Das war eine simple Überlebenstechnik.

»Aber natürlich, Frau Burau, das ist doch selbstverständlich. Ich werde unserem Gärtner Ihre Bitte übermitteln. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

Frau Burau sah sie im ersten Moment misstrauisch an. Mit so wenig Widerstand hatte sie nicht gerechnet. Und fast wirkte sie enttäuscht. »Also, wenn Sie schon fragen … wir haben wieder einen Winterdienst beauftragt. Jedes Jahr wird er teurer, ich schicke Ihnen mal die Rechnung, da Sie unsere Privatstraße ja auch mitbenutzen, um Ihr Grundstück zu befahren. Und …«, sie räusperte sich, »… wenn Sie dann noch Ihrem Gärtner sagen könnten, dass er einmal pro Woche den Kies glatt harken möchte, bitte immer nur in Wellenlinien mit Ausrichtung nach Nordosten. Sie wissen schon – Feng Shui!«

Sie sah Heike erwartungsvoll an, die darüber nachdachte, wie wenig Feng Shui zu der Aufmachung ihrer Nachbarin als Rittmeisterin passte, dabei freundlich lächelte und nickte.

»Dann wäre eigentlich alles gesagt. Einen schönen Tag noch«, bellte Frau Burau. Mit einem drakonischen »Bei Fuß, Attila!« drehte sie sich um und marschierte zu ihrem weißen Landrover mit dem Kennzeichen HG-S 1.

Heike sah ihr nach. Vielleicht würde sie sogar das eine oder andere Mal tatsächlich ihren Gärtner zu Buraus hinüberschicken, allerdings mit dem Hinweis, dass er sich mit dem Rasen der Nachbarn beim Harken nicht besonders vorsehen müsse und sie Verständnis dafür habe, wenn das eine oder andere Loch im Rasen entstünde.

 

Ja, so war das hier. Die Ansprüche waren hoch, und man war es gewohnt, dass Wünsche unverzüglich erfüllt wurden. Heike hatte viel dafür getan, gleich von Anfang an ein gutes Verhältnis mit der Nachbarschaft aufzubauen. Sie war nach wenigen Wochen in den Diskussionskreis Taunus eingetreten und hatte an Literaturvormittagen und Ausstellungsbesuchen teilgenommen. Auch die Yogastunden mit Privatlehrerin, die reihum vormittags in den Villen stattfanden, waren ihr als geeignetes Mittel erschienen, in Königstein Fuß zu fassen.

In der ersten Woche nach ihrem Umzug war sie nicht dazu gekommen, während der vormittäglichen Sprechstunde zur Meldebehörde im Rathaus zu gehen, wo sie sicherlich auch über die Müllentsorgungsthemen in Königstein informiert worden wäre.

In ihrer zweiten Woche in Königstein hatte ihr prompt die Nachbarin zur Linken, Frau Eichberg, im Vorbeifahren aus dem Fenster ihres T-Modells einen Abfallkalender in die Hand gedrückt, als Heike gerade ihre Biomülltonne an die Straße stellte. »Die wird hier nur alle zwei Wochen geleert, bringen Sie sie besser wieder rein!«, rief sie ihr zu, und die zwei Kinder auf den rückwärtsgerichteten Zusatzsitzen im Kofferraum musterten Heike prüfend und winkten dann ernst.

In ihrer dritten Woche hatte Heike ihre Nachbarinnen zur Linken und zur Rechten am Nachmittag zum Tee gebeten. Sie wusste nicht, dass die Königsteinerinnen in der Regel nur vormittags und abends Einladungen annahmen. Denn die Nachmittage waren ganz mit Taxifahrten und dem Drillen der Kinder ausgefüllt. Heike hingegen hatte es für einen der Vorzüge einer Kleinstadt gehalten, dass die Kinder die meisten Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen konnten.

Beate Eichberg, Mutter von vier Kindern, hatte spontan abgesagt, weil sie »nachmittags immer völlig zu« sei. Aber dann hatte sie nach einem Blick in ihren kalbsledergebundenen Terminkalender kurzfristig doch noch eine halbe Stunde erübrigen können, weil der Harfenunterricht ihrer sechsjährigen Tochter Kim verlegt worden war. Natürlich konnte Heikes Nachbarin zur Rechten, Frau Burau, keinesfalls so kurzfristig kommen.

Kim, deren fünfjährige Schwester Emily sowie die achtjährige Zoey brachte Frau Eichberg mit, schließlich musste das eine Au-pair-Mädchen der Familie ihren ältesten Sohn zu seinen Musikstunden begleiten. Das andere hatte leider Gottes einen dringenden Zahnarzttermin. Heike freute sich auf einen entspannten Nachmittag, denn Chloé war mit dem Fahrrad zum Tennistraining gefahren, und ihr Sohn Carlo machte immer einen langen Mittagsschlaf. Frau Eichberg musterte die Einrichtung sehr genau, als Heike sie und die Kinder durch die drei großzügigen Wohnzimmer über das antike Eichenparkett führte.

»Haben Sie noch einmal renoviert, seit Familie Hochberg ausgezogen ist?«, fragte sie.

»Nicht allzu viel. Es musste nur noch einmal gestrichen werden, und das Parkett wurde frisch geölt.«

»Aha, interessante Farbskala. Ist das an der Wand um den Kamin Elefantengrau von Flamant? Und das Bild ist ein Sam Francis, wenn mich nicht alles täuscht …«

Heike nickte: »Ja, richtig. Sie kennen sich aber gut aus.«

Zum ersten Mal sah sie Frau Eichberg lächeln. Es bildeten sich zwei Grübchen auf ihren Wangen, und einen Moment lang sah sie jung und anziehend aus. »Ja, ich bin Innenarchitektin, aber …«, sie nickte zu ihren Kindern hin, »… dafür bleibt absolut keine Zeit.« Schon lag auf ihrem fahlen Gesicht wieder der angestrengte Ausdruck, mit tiefen Falten auf der Stirn und schmalen Lippen. »Unser Haus stammt aus den Dreißigern und steht unter Denkmalschutz, da ist es ohnehin schwierig, etwas zu ändern. Und außerdem kann man sich mit vier Kindern die meisten Verschönerungsmaßnahmen sparen, auch geöltes Parkett wäre nichts für uns. Da ist unser alter Terrazzoboden schon wesentlich praktischer.« Sie blieb vor dem Sofa stehen: »Und eine Molteni-Couch werden wir uns sicher erst wieder in zehn Jahren zulegen.« Dann setzte sie sich mit ihren drei Kindern, die alle den gleichen Pagenschnitt wie sie selbst hatten und in identische weiße Blusen sowie dunkelblaue Cardigans gekleidet waren, auf das hellgraue Sofa. Das jüngste Eichbergkind saß bei seiner Mutter auf dem Schoß.

Heike hatte sich heute bewusst dem Kleidungsstil der Eichbergs angepasst. Sie trug ein ecrufarbenes Twinset zu dunkelblauen Chinohosen und flache Tod’s. Wie war das noch? »Wenn du hier in bestimmten Kreisen ankommen willst, lautet der Türöffner: Understatement … Auch wenn es schwerfällt«, klangen ihr Toms Worte im Ohr.

»Ach, das muss ja auch gar nicht sein«, antwortete Heike und schenkte Tee ein. Sie hielt den Kindern die Platte mit den Muffins hin und fragte: »Das ist ja so ein tolles Anwesen, in dem Sie wohnen. Mit diesem riesigen Park … beeindruckend. Sicher macht das auch eine Menge Arbeit, nicht wahr?«

»Ja, mein Elternhaus. Großvater hat es gebaut, er war Bankvorstand, so wie mein Mann. Der Park hat über zehntausend Quadratmeter, aber ein großer Teil ist Wald und Wiese. Ich sehe gar nicht ein, dass ich dafür ständig einen Gärtner bezahle.«

Heike war schon aufgefallen, dass das Grundstück, soweit man es von ihrem Fenster aus sehen konnte, einen erstaunlich ungepflegten Eindruck machte.

»Ich hätte auch gar nichts dagegen, mich zu verkleinern. Aber finden Sie mal einen Käufer für so ein Objekt, im Bebauungsplan sind nur die bestehenden Gebäude als Baufenster ausgewiesen. Das sind unser Wohnhaus mit achthundert Quadratmetern und die Schwimmhalle. Natürlich nimmt das keiner … zu dem Preis, den wir uns vorstellen.«

Heike war über diese Neuigkeit erleichtert. Ansonsten hätte womöglich ein Bauträger die Parzelle zerstückelt und dicht an dicht Doppelhäuser daraufgestellt.

Frau Eichberg wirkte fahrig und nervös und sprach ohne Unterlass darüber, wie viel sie zu tun habe, dass nun auch noch ihre Mutter eingetroffen sei, eigentlich um zu helfen, aber ihr nur noch mehr Arbeit mache. Nein, sie habe eigentlich keine Zeit zum Teetrinken am Nachmittag. Das Trinken des Tees wurde zusätzlich durch Emily vereitelt, die ihrer Mutter, unabsichtlich, die Tasse aus der Hand schlug. Den Aufprall der Tasse federte Heikes neuer Seidenteppich ab, dessen camelfarbenen Flor der First Flush in einer sich ausbreitenden Lache um einige Nuancen dunkler färbte. Heike seufzte, sie wusste schon jetzt, dass die Flecken nie wieder rausgehen würden. Frau Eichberg bemerkte nur erschöpft: »Kinder eben!« Dann behandelten sie ein Thema, das Frau Eichberg offensichtlich unter den Nägeln brannte: Die weiterführenden Schulen. Auf welche Schule denn ihre Tochter gehe, fragte sie Heike. Chloé besuche das Feldberggymnasium. Frau Eichberg sah zu Boden.

»Und Ihre Kinder?«, fragte Heike.

»Alexander ist unser Ältester. Da steht dann die Frage an, auf welche Schule er in der Fünften gehen wird, und es kommt für ihn nur das St.-Andreas-Gymnasium in Frage und für die Mädchen später St. Maria.«

Heike hatte diese beiden katholischen Privatschulen für ihre Kinder nicht in Erwägung gezogen. Die St.-Maria-Schule war eine reine Mädchenschule, und das hatte Chloé von Anfang an abgelehnt. Die St.-Andreas-Schule, ein humanistisches Gymnasium, hatte Heike, mit dem Argument, moderne Sprachen seien wichtiger, von der Wahl ausgeschlossen. Tatsächlich war Latein für sie ein Trauma gewesen, und das wollte sie ihren Kindern ersparen.

Über die Aufnahmekriterien der beiden Schulen kursierten allerlei Gerüchte.

»Ist es nicht schwierig, dort angenommen zu werden?«, fragte Heike.

»Nun, die Eltern müssen natürlich in der Kirche sein, möglichst in der katholischen, und die Kinder getauft. In der vierten Klasse, erstes Halbjahr, müssen sie einen Notendurchschnitt von glatt Zwei und besser haben und außerdem während der gesamten Grundschulzeit eine Eins oder Zwei in Sozialverhalten. Außerdem sollten die Eltern sich ehrenamtlich, möglichst kirchlich und/oder schulisch engagieren«, zählte Frau Eichberg routiniert auf.

»Tja«, meinte Heike, »wenn Sie und Ihre Kinder alle diese Kriterien erfüllen, dann steht der Aufnahme ja sicher nichts im Weg. Gratuliere!«

Frau Eichberg runzelte die Stirn und zischte plötzlich aufgebracht: »Das Problem sind die ignoranten, unfähigen Grundschullehrerinnen, die einfach immer wieder den falschen Kindern die Zeugnisse versauen. Die wissen ja gar nicht, was sie ihnen damit antun. Oder ganz im Gegenteil, sie wissen es sehr wohl und tun es gezielt aufgrund dieses widerlichen Sozialneids.«

Heike war erstaunt über die Wortwahl und die unvermittelte Heftigkeit. Ganz offensichtlich hatte Alexander also nicht die Noten, die von ihm erwartet wurden.

»Es hängt jetzt alles von dem nächsten Halbjahreszeugnis ab«, fuhr Frau Eichberg sich ereifernd fort, »also an meinem Sohn liegt es jedenfalls nicht … Alexander ist ein guter, überdurchschnittlich intelligenter Schüler, und ich gehe alle zwei Wochen in die Sprechstunde seiner Klassenlehrerin, um immer über die Notenentwicklung auf dem Laufenden zu sein. Die Frau soll schon wissen, mit wem sie es zu tun hat. Ich habe vorsorglich eine Akte über sie angelegt: Sie ist notorisch unpünktlich, fehlt häufig, gibt viel zu wenig Hausaufgaben auf und ist im Lehrplan immer hinterher. Wenn ich absehen kann, dass Alexander nicht überall Zweien und Einsen bekommt, werde ich mir diese Frau Teschke rechtzeitig vorknöpfen …«

Kim winkelte unterdessen ganz langsam ihre Beine an, schaute Heike regungslos in die Augen und schmierte dabei ihre dreckigen Timberland-Schuhsohlen am Sofa ab, was ihre Mutter mit einem vorwurfsvollen »Also Kim!« kommentierte. Emily begann, auf ihrem Platz herumzuhopsen, und knetete in ihren kleinen Händen einen der Muffins zu einer festen, fettigen Kugel.

Zoey fragte Heike, ob sie die Muffins selbst gebacken und ob sie eine Backmischung verwendet habe. Heike war so verblüfft über die Frage der Achtjährigen, dass ihr spontan nur die Wahrheit einfiel. Ja, sie habe die gute alte Dr.-Oetker-Backmischung für Zitronenmuffins verwendet.

Zoey zögerte keinen Moment: »Das habe ich mir schon gedacht, denn wir hatten mal eine Haushälterin, die die auch gekauft hat. Aber Mama hat sie dann gefeuert, denn wir dürfen keine verarbeiteten Lebensmittel essen.« Und sie riss ihrer kleinen Schwester die Teigkugel aus der Hand und warf sie zurück auf die Kuchenplatte.

Emily fing an zu brüllen, robbte auf den niedrigen Couchtisch, um sich ihre Kugel wieder zu angeln, und verteilte dabei die übrigen Muffins auf dem Teppich.

In diesem Augenblick fühlte sich Heike veranlasst, Hilfe zu holen, und griff nach dem Telefon. Ihre Freundin Claudia war nach der Scheidung vorübergehend in die Einliegerwohnung gezogen. Jetzt setzte sie darauf, dass deren vierzehnjährige Tochter Julia sich ein paar Euro dazuverdienen wollte. Ihr war natürlich klar, dass es für eine Teenagerin, die sich, wie nicht zu überhören war, gerade exzessiv den Rhythmen von House hingab, eine Zumutung war, diese drei Satansbraten untergejubelt zu bekommen.

Sichtlich verärgert und wie üblich schlechtgelaunt, kam Julia in Jogginghosen, mit nassen Haaren, Kopfhörern über den Ohren und einer Flasche stahlblauem Nagellack zwischen den halbfertig lackierten Fingerspitzen zur Tür herein. Sie gab sich erstaunlich selbstbewusst, was Heike als neue Phase ihrer pubertären Entwicklung zur Kenntnis nahm. Lässig schob Julia den Kopfhörer nach hinten und nickte Frau Eichberg herablassend zu. Mit einem einzigen Blick auf das Geschehen im Wohnzimmer erkannte sie den Handlungsbedarf, machte ein scheinbar unbeteiligtes Gesicht und sprach ganz langsam die rettenden Worte aus: »Wir haben übrigens das neueste ›Singstar‹-Spiel für die Wii.«

Heike erwartete eigentlich eine altkluge ablehnende Antwort von Zoey. Aber nach einem kurzen Blick zu ihrer Mutter, die keine Regung zeigte, erhob sich Zoey, nahm ihre Schwestern bei den Händen und ging auf Julia zu: »Wo steht denn die Wii? Welche Lieder gibt es? Wie viele Mikrofone habt ihr?«

Julia warf Heike einen triumphierenden Blick zu, und diese wusste sofort, was er zu bedeuten hatte: Das würde sie mindestens eine unlimitierte Shoppingtour durch das Main-Taunus-Zentrum oder eine Pizzaeinladung für zwanzig Freundinnen kosten. Aber das war Heike die Unversehrtheit ihrer restlichen Wohnzimmereinrichtung und die Möglichkeit, mit Frau Eichberg wenigstens ein paar ungestörte Worte zu wechseln, durchaus wert. Diese kniff die Mundwinkel zusammen und meinte: »Na ja, Spielkonsolen verfehlen ja bekanntlich nie ihre Wirkung. Aber die Singerei geht ja noch. Unsere Kinder musizieren gerne miteinander.«

Kurze Zeit später nahm sie den Anruf eines ihrer Au-pair-Mädchen entgegen, das vergessen hatte, Alexander pünktlich vom Cellounterricht abzuholen, und nun nicht wusste, wo er sich aufhielt. Frau Eichberg wurde am Telefon ziemlich ausfallend, und Heike war im Grunde heilfroh, als sie hastig ihre Kinder zusammentrommelte und in Richtung Haustür zog. Aber sie schlug ihr noch beiläufig und natürlich ohne ernste Absichten vor, die verursachten Schäden über ihre Privathaftpflicht abzuwickeln. Heike lehnte das Angebot selbstverständlich dankend ab und bot Frau Eichberg ihrerseits Hilfe bei der Suche nach dem Sohn an. Wünschte, als diese abwinkte, viel Glück dabei und schloss erleichtert die Tür. Es war schade, dass das Zusammentreffen so anstrengend verlaufen war. Denn Frau Eichberg hielt zu Fragen aus allen Lebensbereichen präzise Antworten bereit. Etwa wie man es verhinderte, dass die Krähen die gelben Säcke aufpickten, und ob man es verantworten könne, wenn ein Au-pair-Mädchen, das die Nacht in den Frankfurter Clubs durchgefeiert hat, am nächsten Tag die eigenen Kinder beaufsichtigte? Und was war von einer Grundschullehrerin zu halten, die die Kinder in den letzten beiden Doppelstunden Deutsch vor den Ferien eine Cornelia-Funke-DVD mit FSK 12 ansehen ließ?

Immerhin hatte Heike noch in Erfahrung bringen können, dass ihre beiden Nachbarinnen, Frau Eichberg und Frau Burau, nicht besonders gut aufeinander zu sprechen waren. Es hatte etwas mit dem gegenseitigen Abwerben von Hauspersonal zu tun, was hier in Königstein ganz besonders verpönt zu sein schien.

Claudia

Dreiundvierzig ungelesene E-Mails, acht Anrufe in Abwesenheit, eine unerwartete Terminvertretung, ein dreißig Zentimeter hoher Aktenstapel sowie die Mitteilung ihrer Sekretärin, dass ihr Chef sie sprechen wolle, kündigten einen hektischen Vormittag an, als Claudia die Kanzlei betrat. Ihre offiziellen Stunden täglicher Arbeitszeit würden wieder einmal nicht ausreichen, um alles zu erledigen. Kein neuer Gedanke. Aber heute nahm sie ihn nicht so leicht wie sonst. Claudia sah zuerst nach, ob Dr. Teufel da war. Er telefonierte und machte ihr ein Zeichen, dass es länger dauern würde. Also begann sie, die E-Mails mit den roten Ausrufezeichen abzuarbeiten. Gleich die zweite Nachricht war höchst unerfreulich. Eine Kollegin aus ihrem Münchner Büro, die für sie dort am nächsten Tag einen Gerichtstermin wahrnehmen sollte, stichelte:

»Vielen Dank für die ausführlichen Aktenauszüge. Leider kann ich weder daraus noch aus Ihren umfangreichen Schriftsätzen entnehmen, ob die Betriebsratsanhörung zur Kündigung ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Ferner ist mir bisher nicht mitgeteilt worden, ob und in welcher Ausgestaltung Vergleichsbereitschaft unseres Mandanten besteht. Aufgrund dieser Versäumnisse Ihrerseits schlage ich somit vor, dass Sie den Gütetermin morgen in München selbst wahrnehmen.«

Claudia fühlte, wie sich ihr Pulsschlag beschleunigte und ihr Hals sehr eng zusammenzog. Sie verspürte Wut über diesen frechen Umgangston, aber sie sorgte sich vor allem, ob sie wirklich einen solchen kapitalen Fehler gemacht haben könnte. Mit gerötetem Gesicht ging sie in das Aktenlager, versuchte nicht zu rennen und zog sich dort den Vorgang heraus. Den immerhin über siebzig Seiten umfassenden Ordner unter den Arm geklemmt, lief sie in ihr Büro zurück und fing an, hektisch darin zu blättern. Das konnte gar nicht stimmen, schließlich war die Betriebsratsanhörung das Erste, was man bei einer Kündigungsschutzklage prüfte. Zugegeben, Arbeitsrecht war nicht gerade ihr Spezialgebiet. Nur weil die Kollegin, die sonst diese Fälle übernahm, in Elternzeit gegangen war, hatte Dr. Teufel die Mandate unter ihnen aufgeteilt. War ihr wirklich ein so grober Schnitzer unterlaufen? Und wenn ja, was dann? Schließlich war die Klageerwiderung längst zum Gericht gefaxt worden.

Sie blätterte in der Akte, und innerhalb von wenigen Minuten konnte sie erleichtert durchatmen: Sie hatte sich nichts vorzuwerfen. Inzwischen waren acht neue E-Mails eingegangen, davon stand vor dreien das rote Wichtig-Ausrufezeichen. Aber sie musste zuerst ihrer Kollegin, Frau Bitsch, antworten. Ihr kam der Gedanke, das »s« wegzulassen.

 

Sehr geehrte Frau Bitch,

meines Erachtens muss sich in die Schreibweise Ihres Nachnamens ein Fehler eingeschlichen haben, Ihr unschöner Charakter lässt leider keine andere Auslegung zu. Ich erlaube mir, ihn zu verbessern. Es tut mir leid, dass Sie aufgrund Ihres fünfwöchigen Urlaubs keine Zeit gefunden haben, meinen Schriftsatz rechtzeitig zu lesen. Denn dann hätten Sie festgestellt, dass auf Seite 2 unter Ziffer II die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats mit Datum verzeichnet ist. Das Protokoll der Anhörung ist ebenfalls beigefügt. Da der Mandant Sie, wie Sie aus meiner E-Mail vom … entnehmen können, selbst zu dem Gütetermin begleiten wird, sah ich bisher keine Veranlassung, Ihnen dessen Absichten hinsichtlich eines möglichen Vergleichs vorab mitzuteilen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Claudia Neumann-Elten

Rechtsanwältin

 

Sie las die E-Mail durch. Nach einer Minute löschte sie die ersten zwei Sätze und klickte auf »Senden«. Eine bleierne Müdigkeit befiel sie, als sie von ihrem Outlook-Account zu dem Aktenstapel auf ihrem Schreibtisch blickte.

Um Punkt 10 Uhr stand Dr. Teufel in der Tür und holte sie zu einer Teambesprechung in den Sitzungsraum. Es ging, wie so oft, um die Billing-Modalitäten in der Kanzlei. Jeder Anruf sei in Ansatz zu bringen, schließlich werde man selbst durch ein Gespräch mit dem Sekretariat aus einer anspruchsvollen Tätigkeit gerissen … Die weitschweifige Art ihres Chefs würde Claudias Zeitplan wieder völlig durcheinanderbringen. Noch dazu musste sie heute auf jeden Fall pünktlich zu einem Gespräch mit Julias Französischlehrerin aufbrechen. Julia hatte den Umzug, ebenso wie sie und der Rest der Familie, schlecht verkraftet. Nun stand sie in Französisch auf Fünf und hatte, außer in Englisch, auch sonst keine überragenden Noten. Wahrscheinlich also blieb bald nur noch ein Internat, was die Probleme vielleicht nicht lösen, aber aus ihren Augen schaffen würde. Nur, wie sollte sie das bezahlen? Von ihrem Ex-Mann Nik bekam sie keinen Pfennig Unterhalt. Er hatte gleich nach dem rechtskräftigen Scheidungsurteil seinen Job in der amerikanischen Anwaltskanzlei gekündigt. Sie kam nur über die Runden, weil Heike sie vorübergehend in ihrer Einliegerwohnung einquartiert hatte. Da wäre es der Gipfel aller vorangegangenen Erniedrigungen aufgrund ihrer Trennung und Scheidung, vor Nik die sozialen und kognitiven Defizite ihrer halbwüchsigen Tochter eingestehen zu müssen, die dieser zweifelsohne als Ergebnis ihrer fehlgeleiteten, eigentlich aber »nicht vorhandenen« Erziehung ausschlachten würde. Sie schlug die Beine übereinander und wippte nervös mit dem Fuß: Jetzt war es schon fast 11 Uhr.

Zum Glück beendete Dr. Teufel endlich seinen Vortrag, biss in eines der Croissants, die seine Sekretärin jeden Morgen aus dem Café Laumer holen musste, und forderte die anderen Anwälte und Anwältinnen kauend auf, es ihm gleichzutun. Claudia hatte sich vorgenommen, heute einen kohlehydratfreien Tag einzulegen. Die anderen verdrückten sich schnell, nur Dr. Oesterhaus und E. A. Weinstein stürzten sich auf das Gebäck und nutzten einmal mehr die Gunst der Stunde, um sich bei ihrem Chef einzuschleimen. Sie bedachte die beiden Kollegen mit einem mitleidigen Blick, während sie ihren Notizblock und ihre I-LOVE-NY-Bürotasse einsammelte. E. A. Weinstein (E. A. stand für Erich August, und die geheimnisvolle Nennung der Anfangsbuchstaben beider Vornamen sollte den fehlenden Doktortitel ersetzen) hatte, nachdem er von Claudias Trennung gehört hatte, schon mehrere erfolglose Versuche unternommen, sich mit ihr zu verabreden. Er war ein Fliegenträger mit schütterem Haar. Aber am meisten war ihr seine kriecherische Art zuwider.

Oesterhaus hingegen sah nicht übel aus, war auch kein schlechter Anwalt und fand sich selbst eigentlich viel zu genial für ihre mittelgroße Kanzlei. Doch er wollte auch nicht in eine der großen Anwaltsfirmen eintreten, denn dort sei man doch nur ein Hamster im Laufrad, wie er ihr einmal bei einem Glas Single Malt aus seiner gutbestückten Bürobar gestanden hatte. Und nach drei Mal fourfingers auf nüchternen Magen plauderte er seine Zukunftsvision aus, indem er von »später, wenn ich den Laden hier übernommen habe« sprach. Ihr gegenüber konnte er unbesorgt so vertraut sein, denn eine Halbestelleninhaberin mit drei Kindern würde für ihn niemals zur echten Konkurrentin werden. Das wussten sie beide. Claudia hatte nach zwei Mal twofingers in Erwägung gezogen, mit ihm zu schlafen, natürlich nur, falls er ihr Avancen machen würde. Aber diese unterblieben. Deshalb war sie ein wenig in ihrer Eitelkeit gekränkt. Aber im Nachhinein konnte sie darüber mehr als heilfroh sein, denn er wurde ihr mit der Zeit immer unsympathischer.

Seine beruflichen Ziele verfolgte er weniger durch überdurchschnittliche juristische Leistungen, sondern, wie Claudia immer öfter bemerken musste, indem er sich bei Dr. Teufel andiente.

»Also Georg«, Oesterhaus war wohlgemerkt der einzige Anwalt in der Kanzlei, der sich mit Dr. Teufel duzte, »ich habe hier einmal eine Exceltabelle ausgearbeitet, in der einzelne Positionen mit dem Zeitansatz, den wir dem Mandanten in Rechnung stellen sollten, aufgeführt sind. Da wird zum Beispiel auch die Sekretariatsarbeit bei jedem Schriftsatz mit mindestens dreißig Minuten berücksichtigt …«

Georg strahlte ihn erwartungsgemäß an, schon wieder mit einem halben Croissant im Mund.

Jonas

Als der Gong ertönte, hatte es Jonas keineswegs eilig, seine Sachen einzupacken. Und als er sich schließlich der Tür näherte, warf er zunächst misstrauisch einen Blick in den Flur, konnte aber nichts Verdächtiges bemerken. Er hob seine Jacke auf, die jemand vor den Kleiderhaken auf den Boden geworfen hatte, klopfte den Dreck der Fußabdrücke ab und zog sie an. Wieder war er den ganzen Vormittag nicht auf der Toilette gewesen, und er spürte den Druck auf seiner Blase. Er hatte extra seit dem Frühstück zu Hause nichts mehr getrunken. Die Toilette lag außerhalb des Schulgebäudes im Pausenhof. Sie war alt, vergammelt, schmutzig und stank. Weil die Schule sowieso abgerissen werden sollte, war sie jahrelang nicht mehr renoviert worden. Aber das war nicht das Schlimmste. Er wusste, dass sie dort lauerten.

Er zog seinen Fahrradhelm an und ging zu den Ständern. Schon von weitem konnte er erkennen, dass mit seinem grünen Dirtbike, das er zum Geburtstag bekommen hatte, etwas nicht stimmte: Beide Reifen waren platt. Er überlegte, ob er seine Mutter anrufen sollte. Aber sie war sicher noch gar nicht zu Hause und konnte ihn jetzt nicht abholen. Also löste er das Schloss, hob das Fahrrad aus dem Fahrradständer und schob es durch die Königsteiner Altstadt. Da hörte er sie johlen. Sie amüsierten sich über ihn, lachten ihn aus. Er wurde langsamer und ließ sich zurückfallen. Diese beiden erkannte er auch von hinten: Einer der Jungen trug einen schwarzen Ranzen mit einem aufgestickten Skateboard auf dem Rücken.

Sie bogen rechts um die Ecke und waren auf einmal verschwunden. Jonas musste jetzt so dringend pinkeln, dass er sich hinter den alten Brunnen stellte. Er öffnete gerade seinen Reißverschluss, als er von hinten gepackt und mit voller Wucht gegen das steinerne Kruzifix mit dem goldenen Korpus Christi geschleudert wurde. Beim zweiten Mal spürte er Hände, die sich fest um seinen Hals legten, bevor sein Kopf gegen eine Mauer krachte. Seine Beine wurden zu Gummi, und er rutschte mit dem Gesicht nach unten auf den Boden. Er hörte schnelle Schritte. Als er sich mühsam umdrehte, war niemand mehr zu sehen. Dann spürte er die nasse Hose an seinen Genitalien.

Gertrud Lemberg fuhr mit ihrem dunkelblauen Audi durch die verkehrsberuhigte Altstadt, als sie auf den taumelnden Jungen aufmerksam wurde. Er stützte sich schwer auf ein kaputtes Fahrrad. Sie hielt an und erkannte trotz des ganzen Schmutzes und Blutes in seinem Gesicht, dass es sich um einen ihrer Schüler handelte.

Während sie ihn samt Fahrrad nach Hause fuhr, ließ sie sich ganz genau schildern, was vorgefallen war, und vor allem, wer die Übeltäter waren.

Gertrud

Am nächsten Morgen hielt sich Gertrud erschöpft am Geländer der Kellertreppe fest, als sie Horst von unten fluchen und ihren Namen rufen hörte. Sie hatte ihm gerade sein Frühstück gebracht, und normalerweise war er damit immer für eine halbe Stunde beschäftigt. Das war regelmäßig die beste Gelegenheit, um unbehelligt das Haus zu verlassen. Sie sah auf ihre kleine goldene Armbanduhr. Es war schon halb acht, und sie musste pünktlich in der Schule sein. Schließlich stand sie kurz vor ihrer Pensionierung und wollte sich nicht noch im letzten halben Jahr ihren Ruf ruinieren.

»Was ist denn noch, Horst?«, seufzte sie und ging die Treppe wieder nach unten. Ihr schlug der muffige Geruch entgegen, den die Lagerung von großen Mengen altem Papier verursachte. Dieser Keller! Da stand der riesige Massagesessel aus rostrotem Kunstleder, den er unbedingt hatte anschaffen müssen. Dieses grottenhässliche Ding, das überhaupt nicht zu ihrer Einrichtung passte. Auf den Regalen an der Wand stapelten sich vergilbte Papiere in Klarsichtmappen, Quittungen und alte Briefe in Pappkartons. Daneben standen unzählige Thermoskannen aus Plastik. Genauso sah es auf seinem kleinen Schreibtisch in der Ecke aus, vor dem er jetzt saß. Vorsichtig hatte sie, wie jeden Morgen, einen Stapel zur Seite geschoben, um das Tablett mit den frischen belegten Brötchen und der Thermoskanne mit heißem, gesüßtem Milchkaffee abzustellen.

»Ich weiß genau, dass ich die Steuererklärung fertiggemacht und hier auf den Schreibtisch gelegt habe. Hast du sie weggeräumt?«

»Nein, natürlich nicht! Die Steuererklärung hast du schon im Februar ausgefüllt und abgeschickt, jetzt haben wir September.« Sie wusste, dass sie ihn mit dieser Antwort in Rage versetzen würde.

»So ein Quatsch, ich habe sie gestern geschrieben und wollte sie heute abschicken. Mit allen Anlagen. Und jetzt hast du sie weggeräumt. Wahrscheinlich hast du sie versteckt! Oder es hat jemand eingebrochen und sie mitgenommen … und die Thermoskanne von gestern auch.«

»Warum sollte denn jemand deine Steuererklärung und eine Thermoskanne stehlen? Die Thermoskanne habe ich gestern wieder mit hochgenommen, weil mir mein Vorrat an neuen Kannen ausgegangen ist. Und hier wurde ganz sicher nicht eingebrochen!« Horst fing an, in den Schubladen des Schreibtischs zu wühlen.

»Du weißt doch, dass du die Thermoskannen nicht wieder mitnehmen darfst. Ich brauche immer heißen Kaffee, immer!«

»Horst, so viel Kaffee ist doch gar nicht gut für dich. Du trinkst ja inzwischen zwanzig Tassen am Tag.«

»Unsinn, es sind nicht mehr als vier!«

»Nein. Du kannst dich nur nie an die letzte Tasse, die du getrunken hast, erinnern.«

Er öffnete die Tür auf der anderen Seite des Schreibtischs. Horst wusste ganz genau, was los war: Sie log ihn an. Außerdem versteckte sie systematisch seine Sachen vor ihm. Und leugnete es hinterher. Es hatte lange gedauert, bis er dahintergekommen war. Das einzige Problem war, dass er es ihr bisher nie hatte beweisen können. Wie sie jetzt dastand, mit ihrem teuren knallroten Wollpullover und dem passenden Lippenstift. Warum musste eine Frau in ihrem Alter sich so herausputzen? Und beim Friseur war sie auch schon wieder gewesen. Er sah es an dieser frischtoupierten Haube aus schwarzgefärbten Haaren. Zusammen mit ihren dicken Brillengläsern ließ sie die Frisur aussehen wie ein Uhu. Bei dem Gedanken musste er kichern. Sie war eine Verschwenderin und eine Heuchlerin und ein alter Uhu mit rotem Schnabel, das wurde ihm immer klarer.

Er fand eine vollgepackte, alte Lidl-Tüte und schüttete den Inhalt mit Schwung auf den Schreibtisch über die Brötchen: Ein Sammelsurium von rostigen Schrauben, altem Werkzeug und mehreren Thermosflaschen sowie ein in grünes Papier mit bunten Elefanten eingeschlagenes Geschenk.

Gertrud nahm es in die Hand und sagte: »Ach, sieh mal, das ist ja das Geburtstagsgeschenk für unseren Moritz, das wir so lange gesucht haben. Du hast es also die ganze Zeit gehabt!«

Unvermittelt fing Horst an, sie anzuschreien: »Das hast du versteckt! Genauso wie die Steuererklärung!«

Er nahm es ihr grob aus der Hand und riss das Papier auf. Heraus fiel ein gelber Zettel, auf dem in der akkuraten Schrift einer Grundschullehrerin stand: »Am Montag Blumen bei Frau Lessing gießen!«

Triumphierend jaulte Horst auf und imitierte damit echtes Wolfsgeheul. Dabei lief ihm Spucke über das Kinn. »Da hast du es schwarz auf weiß: Das ist deine Schrift. Also hast du das Geschenk für unseren Enkel versteckt! Endlich habe ich einen Beweis. Den gebe ich nicht mehr her. Den bewahre ich jetzt so auf, dass du ihn nicht finden kannst. Hau ab, damit du nicht sehen kannst, wo ich ihn hintue!«

Verzweifelt sah sie ihn durch ihre dicken Brillengläser an und knetete ihre Hände. Sie musste ihre Hände festhalten, das wusste sie. Gertrud sagte sich, dass er nicht ihr Feind war, dass sie gut zu ihm sein musste. Der Arzt hatte behauptet, sie müsse nachsichtig sein. Dagegen gebe es keine Medikamente, er sei eben ein kranker alter Mann.

Mit Abscheu sah sie auf seine verknitterte alte Hose und die schmuddelige braune Strickweste, die er nie wechselte und die sie niemals waschen durfte. Sie hasste Unordnung und Ungepflegtheit.

»Hör sofort mit diesem Gejaule auf!«, befahl sie.

Er hörte nicht auf, sondern heulte noch lauter.

Ihre Hände begannen zu zittern, und sie hielt sie immer fester. Sie konnte es nicht ertragen, wenn ihr jemand nicht gehorchte. Sie ließ ihre Hände los, um sich die Ohren zuzuhalten, aber sie gehorchten ihr nicht. Ihre rechte Hand schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Sie sah noch den roten Abdruck auf seiner Wange, spürte einen stechenden Schmerz in ihrem Arm. Dann warf sie die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel im Schloss um. Das war ihre erste Tat an jenem Morgen.

Gertrud hielt sich nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkung in der Dreißigerzone. Sie fuhr sechzig. Auf der Altkönigstraße geriet sie in eine Radarfalle des Königsteiner Ordnungsamts und wurde mit dreißig Stundenkilometern über der erlaubten Geschwindigkeit geblitzt. Das war ihre zweite Tat an jenem Morgen.

Als sie auf dem Lehrerparkplatz ankam, stieg Frau Teschke gerade aus ihrem schwarzen Mini Cooper – ein schlechtes Zeichen, denn die junge Lehrerin kam notorisch zu spät. Gertrud sah auf ihre Uhr: fünf nach acht! Ihr großer Busen wogte, als sie den Weg zur Grundschule hinunterrannte und dabei ihren schmerzenden Arm hielt. Nein, sie hatte auch keine Zeit mehr, mit Frau Teschke über den Überfall auf Jonas zu sprechen. Sie nahm die Sache lieber gleich selbst in die Hand.

Die dritte Tat an diesem Morgen war, dass sie der Klasse, in der sie Englischunterricht gab, als Erstes mitteilte, was einem ihrer Mitschüler am gestrigen Tag zugestoßen war. Sie ließ es sich nicht nehmen, den Tathergang mit ein paar fehlenden Details auszuschmücken. Dem Umstand, dass sich Jonas vor Angst in die Hose gemacht hatte, schenkte sie große Beachtung, was er ihr später noch sehr übelnehmen sollte. Sie äußerte mit strenger Stimme absolute Missbilligung dieser abscheulichen Tat. Ihre Schilderung spitzte sie zu und sah in die fassungslos erstarrten Gesichter ihrer Schüler und Schülerinnen. Nach einer dramaturgischen Pause, deren für die Kinder kaum erträgliche Spannung sie sehr genoss, endete sie mit der namentlichen Nennung der zwei Schüler, die dies ihrem Mitschüler Jonas vorsätzlich angetan hatten.

Nach Schulschluss gab es kaum eine Königsteiner Mutter, die noch nicht gehört hatte, dass Alexander Eichberg und Arthur Elten einen Schulkameraden in der Altstadt hinterrücks überfallen, gewürgt und krankenhausreif geschlagen hatten. Die Jungen waren, auf Intervention von Gertrud Lemberg, aus der Klasse geholt und anschließend von zwei Streifenpolizisten zur Anhörung auf die Königsteiner Wache gebracht worden.

Claudia

In letzter Sekunde erreichte Claudia ihren Schreibtisch mit dem läutenden Telefon. Ihre Sekretärin konnte kaum ihre Verwunderung verbergen, als sie ihr mitteilte, dass ein Hauptwachtmeister der Polizei Königstein sie sprechen wolle. Claudia gelang es, sich mit ruhiger Stimme zu melden: »Dr. Neumann-Elten«, während sie fieberhaft darüber nachdachte, ob wohl in ihre Wohnung eingebrochen worden war.

»Frau Dr. Neumann-Elten, hier spricht Hauptwachtmeister Keil von der Polizei in Königstein. Sind Sie die Mutter von Arthur Elten?«

»Ja, die bin ich«, antwortete Claudia, »er hat den Nachnamen meines Mannes, äh, Ex-Mannes.«

»Wie schnell können Sie hier sein?«

»Wieso, was ist denn passiert? Ist Arthur verletzt?«

»Ihrem Sohn geht es so weit gut. Aber einem anderen Mitschüler weniger. Arthur wird vorgeworfen, ihn misshandelt zu haben. Mehr möchte ich am Telefon nicht sagen. Wir haben ihn hier zur Anhörung hergeholt. Können Sie unverzüglich auf die Wache kommen?«

Claudia spürte das zweite Mal an diesem Vormittag, wie sich ihre Kehle zusammenschnürte.

»Ja, natürlich. Kann ich meinen Sohn bitte zuerst sprechen?«

Sie hörte Schritte am anderen Ende der Leitung. Dann meldete sich Arthur mit leiser Stimme: »Mama?«

»Ja, Schatz. Ich bin es. Pass auf: Egal, was passiert ist, hab keine Angst, aber sag den Polizisten um Gottes willen gar nichts. Sag, dass du wartest, bis deine Mutter da ist. Halt deinen Mund, ja? Versprich mir das, Arthur!«

»Ja, Mama, aber ich war …«

»Schscht, Arthur!«, fuhr ihn seine Mutter an. »Du sagst jetzt weder mir noch den Polizisten irgendetwas dazu, was passiert oder nicht passiert ist. Hast du mich verstanden? Das ist ganz wichtig!«

Arthur schniefte und hauchte nur kleinlaut »Ja, Mama« in den Hörer.

Claudia war selbst kurz davor zu weinen: »Jetzt beruhige dich, alles wird gut. Ich bin gleich da. Hol mir noch einmal den Polizisten an den Apparat.«

Als sich der Wachtmeister meldete, hatte sich Claudia wieder im Griff und fuhr ihn an: »Ich hoffe, Sie wissen, dass Sie meinen Sohn nicht in meiner Abwesenheit befragen dürfen? Es ist allein schon ein Unding, ihn mit auf die Polizeidienststelle zu nehmen. Ich bin Anwältin und kann Ihnen nur dringend raten, sich an die Strafprozessordnung zu halten. Sonst wird Ihnen das hinterher leidtun! Ich werde in zwanzig Minuten da sein, und bis dahin lassen Sie meinen Sohn komplett in Ruhe.«

Im Auto überlegte sie, was jetzt zu tun sei. Sie war zwar Rechtsanwältin, aber keine Strafrechtlerin, und wenn Arthur wirklich einem anderen Kind etwas angetan haben sollte, was sie noch nicht glauben wollte, dann musste man Vorsicht walten lassen. Auch wenn er erst zehn Jahre alt und damit natürlich noch nicht strafmündig war, konnte das Ganze unabsehbare Folgen haben. Sie ging im Geist ihre Studien- und Referendariatskollegen durch und überlegte, wer Strafverteidiger geworden war. Auf Anhieb fielen ihr nur zwei Staatsanwältinnen und eine Strafrichterin ein, die sie kannte. War es womöglich besser, gleich einen gewieften Verteidiger mit zu dieser Anhörung zu bringen? Claudia merkte plötzlich, dass sie die ganze Zeit viel zu schnell fuhr. Sie nahm den Fuß vom Gas und versuchte sich zu beruhigen. Wie gut hätte es jetzt getan, einen Ehemann und Vater anrufen zu können und alles mit ihm zu besprechen. Aber sie wusste, dass Nik nur explodieren und ihr wieder die ganze Schuld an dem Schlamassel geben würde. Kurz rief sie noch das Sekretariat der St.-Maria-Schule an, um den Gesprächstermin wegen Julia abzusagen.

In der Polizeistation wollte sie an der Pförtnerloge vorbeirauschen, wurde aber sofort in breitem Hessisch zurückgerufen. Als sie ihren Namen nannte und den Grund ihres Besuchs, musterte der Mann mit dem roten Gesicht sie genauer.

»Ach, Sie sind auch eine Mutter von dene Rabauke. Na, dann komme Se mal mit, es ist nur noch einer da, der sitzt da hinne.«

Er ging voraus und brachte sie zu einer Tür, neben der ein weißes Acrylschild mit der Aufschrift VERNEHMUNGSRAUM hing. Dort stellte er sie mit den Worten vor: »Hier ist die Mutter!«, und winkte sie in das karg möblierte Zimmer. Mit dem Rücken zu ihr saß Arthur zusammengekauert auf einem Stuhl und kam ihr viel kleiner vor als sonst.

Heike

Heike bog schwungvoll in ihre Einfahrt ein und trat so plötzlich auf die Bremse, dass die Kiessteinchen unter den breiten Reifen wegspritzten. Fast hätte sie ihre Putzfrau gestreift, die erschrocken in das Hortensienbeet sprang. Heike parkte ihren moccabraunen Cayenne neben der Haustür, blieb einen Moment lang sitzen und atmete tief durch. Dann stieg sie aus und warf die Tür schnell wieder zu. Sie hatte das Auto voller Einkaufstüten erkennbar teurer Modelabels, weil sie gerade von einem Einkaufsbummel auf der Frankfurter Goethestraße und ihrer Lieblingsboutique in Kronberg zurückkam. Und ihre Ausbeute wollte sie lieber vor Agatas neugierigen Blicken verbergen. Man musste ja nicht unnötig Neid und Missgunst beim Hauspersonal wecken.

»Agata, um Himmels willen! Warum stehen Sie denn mitten auf dem Weg? Heute ist doch gar nicht Dienstag!«

Agata stieg aus dem Beet und sah auf ihre mit Erde beschmierten Sneakers. »Tut mir leid, Frau Stelzer. Aber Frau Neumann-Elten haben mich für heute, 1 Uhr, bestellt. Ich klingeln, niemand machen auf. Aber hören laute Musik!«

Heike sah hoch zu der Wohnung im zweiten Stock ihrer riesigen Fachwerkvilla. Dort stand ein Fenster auf, und die tiefen Bässe der von Adoleszenten bevorzugten Musikrichtung waren nicht zu überhören.

»Das ist das Zimmer von Julia«, sagte sie mit einem vielsagenden Blick zu Agata.

Die schüttelte nur missbilligend den Kopf und drückte nochmals lange auf den Knopf, so dass man das laute Klingeln sogar draußen hören konnte, doch niemand öffnete. Heike zögerte. Sie hatte natürlich einen Schlüssel, aber eigentlich widerstrebte es ihr, in die vermietete Wohnung einzudringen. Andererseits musste es doch in Claudias Sinne sein, wenn die Wohnung zur vereinbarten Zeit geputzt wurde? Also befreite sie Carlo, den sie nach ihrer Shoppingrunde vom Kindergarten abgeholt hatte, aus seinem Kindersitz und gab ihm eine glänzende weiße Kuchenschachtel mit dem goldenen Schriftzug des Königsteiner Cafés Kreiner mit, die er ihrer neuen Haushälterin bringen sollte. »Sag Frau Albrecht, dass sie die Zitronentorte in den Kühlschrank stellen soll. Und es gibt davon nichts vor dem Mittagessen!«

Dann holte sie den Zweitschlüssel, schloss die Tür zu dem separaten Treppenhaus auf und stieg, gefolgt von Agata, die Treppe zur Wohnung hoch. Die Wohnungstür stand offen, und die Lautstärke der Musik hier oben war unerträglich. Ihr schlug der beißende Geruch von Frittiertem, unterlegt von einem anderen, fauligen Gestank, entgegen. Im Flur mussten sie über einen Berg von Jacken, Schuhen und Taschen steigen, um sich einen Weg zu Julias Zimmer zu bahnen.

»Hallo, ist jemand zu Hause?«, rief Heike, aber es kam keine Antwort. Vor Julias Zimmer standen Stapel dreckiger Teller und leerer Cola-Zero-Flaschen. An der Tür hing ein mit Reißzwecken befestigtes Schild mit einem Totenkopf, und darunter stand mit dickem schwarzem Edding auf die weißlackierte Tür geschrieben: KEEP AWAY!!!!!

Heike sah dies mit Entsetzen. Sie hatte die gesamte Wohnung vor Claudias Einzug renovieren und die facettierten alten Zimmertüren abschleifen und neu lackieren lassen.

»Dieses kleine Biest! Na warte!«

Sie klopfte und öffnete die Tür. Der Anblick, der sich ihr bot, verschlug Heike im ersten Moment die Sprache: Der Boden war übersät mit Kleidung, Tellern, Besteck, leeren und halbleeren offenen Flaschen in frischen oder eingetrockneten Lachen auf dem alten Dielenboden. Der war ebenfalls vor dem Einzug abgeschliffen und geölt worden. Dazwischen lagen Haarbürsten, Haare, Staubflocken, Schminkzeug und Schulsachen. An der Wand standen halbausgepackte Umzugskartons herum. In der Ecke, auf einem Doppelbett, lag Julia. Sie hatte ihr aufgeklapptes MacBook vor sich und aß öltriefende braune Glasnudeln mit Stäbchen von einem Teller. Sie sah Heike erstaunlich teilnahmslos an. Doch ihre Überraschung zeigte sich daran, dass sie eine Portion Glasnudeln von ihren Stäbchen auf die Tastatur des Notebooks fallen ließ.

»Oh, fuck!« Sie fing an, mit dem Bettbezug auf den Tasten herumzuwischen, und fragte barsch: »Was willst du denn hier?«

Heike machte ihr zunächst ein Zeichen, dass sie die Musik leiser drehen solle, worauf Julia sogar reagierte. Angesichts der wohltuenden Stille atmete Heike tief durch. »Weißt du eigentlich, dass du mit dreißig taub sein wirst, wenn du weiter so laute Musik hörst?«

Julia rollte nur die Augen zur Decke.